Elspeth Beard
Im Sommer 1982, während andere Studierende in Bibliotheken büffeln oder Urlaubspläne schmieden, packt die 23-jährige Elspeth Beard aus England ihr Leben auf zwei Räder. Sie ist Architekturstudentin, technikaffin, neugierig – und sie hat einen Traum: die Welt auf dem Motorrad zu umrunden. Ihre Gefährtin: eine gebrauchte BMW R 60/6, Baujahr 1974, mit bereits 50.000 Kilometern auf dem Tacho. Elspeth kauft sie für umgerechnet 1300€, eine beträchtliche Summe für damalige Verhältnisse. Doch sie sieht in der Maschine nicht ihr Alter, sondern ein Versprechen – das der grenzenlosen Freiheit.
Was heute, trotz Internet, GPS und Kreditkarten, noch immer Mut verlangt, war Anfang der 1980er-Jahre ein echtes Abenteuer. Kein Netz, keine Community, keine Rückversicherung. Nur Landkarten, Bauchgefühl – und ein unbeugsamer Wille, nicht aufzugeben.
Mit Mut ins Unbekannte.
“Vom Big Apple bis ins Outback
Elspeth und ihre BMW beginnen ihre Reise getrennt. Das Motorrad überquert den Ozean mit dem Schiff, Elspeth fliegt circa zwei Wochen später hinterher. Wiedervereint in New York, fährt sie mit der BMW nordwärts nach Kanada, dann südwärts bis nach Mexiko. In Los Angeles verladen, reist ihre BMW mit dem Schiff weiter nach Sydney. Elspeth selbst nutzt die Zwischenzeit für eine Reise zu Fuß durch Neuseeland.
Sie fliegt weiter nach Australien, absolviert ein Architekturpraktikum in Sydney und fertigt nebenbei eigene Alukoffer für ihre Maschine. Technik, Gestaltung und Abenteuerlust: Hier beginnen ihre Welten zu verschmelzen. Als sie ihre Reise um die Welt mit dem Motorrad fortsetzt, bringt sie ein schwerer Sturz in der australischen Wildnis ins Krankenhaus.
Glücklicherweise schraubt sie zwei Wochen später schon wieder an ihrer BMW – bringt sie selbst auf Vordermann – und fährt weiter. In Singapur dann der nächste Tiefschlag: Alle Reisedokumente, das Geld und sogar der Zündschlüssel werden gestohlen. Sechs zähe Wochen ringt sie mit Behörden, schreibt Briefe, bittet um Hilfe. Und setzt schließlich ihre Reise fort.
Zwischen Ost und West
Zwischen Ost und West
Über Malaysia geht es nach Thailand. Dort läuft ihr ein Hund vors Motorrad, der nächste Sturz folgt. Zwei Wochen lang pflegt sie eine einheimische Familie gesund. Danach geht es weiter über Malaysia nach Indien. Die Ausreise aus Indien wird durch politische Unruhen erschwert, doch sie schafft es nach Nepal, wo sie ihre Eltern, die aus England einfliegen, das erste Mal nach über zwei Jahren wieder sieht. Sie erschrecken, wie ausgemergelt ihre Tochter wirkt. Doch Elspeth ist innerlich gewachsen, voller Kraft und Vertrauen in sich selbst.
Mit einem niederländischen BMW-Fahrer, den sie in Nepal kennenlernt, tritt sie die Rückreise an. Über unbefestigte Pisten reisen sie durch Pakistan, dann weiter in den Iran. Zwar bieten Irans gut ausgebaute Straßen eine Erleichterung, doch Elspeth wird von Hepatitis geschwächt. Kaum noch in der Lage zu stehen, fährt sie trotzdem weiter. In der Türkei gönnt sie sich eine Pause – und ihrer BMW eine überfällige Wartung. Gestärkt geht es durch den Balkan zurück nach England.
Drei Jahre, über 55.000 Kilometer, unzählige Herausforderungen, Rückschläge – und ebenso viele Glücksmomente. Elspeth Beard hat mit Mut, Neugier und einer treuen BMW R 60/6 die Welt umrundet – zu einer Zeit, als kaum jemand glaubte, dass eine junge Frau das allein schaffen könnte.
Heute lebt Elspeth Beard in einem viktorianischen Wasserturm, den sie in ein einzigartiges Wohnhaus umgebaut hat und ist eine mehrfach ausgezeichnete Architektin. Ihre BMW besitzt sie noch immer – als Denkmal für Freiheit, Entschlossenheit und den Traum vom ganz großen Abenteuer.